Sage der Kirche zu Warsow: Der tote Lehrjunge & die Glocke

🔔 Die Glocken von Warsow: Ein Mord, der im Metall widerhallt

Das Dorf Warsow blickt auf eine lange Geschichte zurück – bereits im Jahr 1217 wurde es erstmals urkundlich erwähnt. Die Kirche im Dorfzentrum musste über die Jahrhunderte viele Umbauten über sich ergehen lassen, doch sie hütet einen Schatz, der älter ist als viele Mauern: Ihre Glocken aus den Jahren 1309 und 1474.

Doch um eine dieser Glocken rankt sich eine düstere Legende, die von Handwerkskunst, Jähzorn und ewiger Reue erzählt.

🔨 Der verhängnisvolle Guss

Es trug sich zu, als die große Glocke gegossen werden sollte. Alles war vorbereitet, die Form stand bereit, das Metall war flüssig und heiß – die sogenannte „Glockenspeise“. In diesem entscheidenden Moment musste der Meister die Werkstatt noch einmal verlassen. Sein Lehrjunge blieb allein am Schmelztiegel zurück.

Ob es Übermut war oder der Drang, sein Können zu beweisen? Den Lehrjungen überkam eine unwiderstehliche Lust, das Werk selbst zu vollenden. Er zog den Zapfen und ließ das glühende Metall in die Form laufen.

🩸 Der Zorn des Meisters

Als der Meister zurückkehrte und sah, was geschehen war, glaubte er blindlings, das kostbare Werk sei verdorben und das teure Material verschwendet. In einem Anfall von ungezügeltem Zorn griff er nach einem Werkzeug und stach den Lehrjungen nieder. Der Junge starb noch an Ort und Stelle.

Doch als die Form erkaltete und man die Glocke freilegte, zeigte sich die Tragödie: Der Guss war perfekt gelungen. Die Glocke hatte einen Klang von seltener Reinheit und Schönheit.

🗣️ Die klagende Stimme

Doch der Mord hat eine Spur im Klang hinterlassen. Die Warsower sagen, wenn die Glocke läutet, singt sie nicht einfach. Sie ruft in ihrem wunderschönen Ton immer wieder denselben klagenden Satz über das Land:

„Schad ist, Schad is,

Dat der Lirjung dod is.“

(Schade ist, schade ist, dass der Lehrjunge tot ist.)

So erinnert jeder Schlag an das talentierte Leben, das der Meister in seiner Blindheit auslöschte.

🐴 Die sture Glocke

Eine andere Fassung der Sage berichtet, dass diese Glocke später nach Schwerin gebracht werden sollte. Doch das Metall schien einen eigenen Willen zu haben – oder der Geist des Lehrjungen wollte nicht weichen. Man spannte zwölf Pferde vor den Wagen, doch sie schafften es nicht, die Glocke über die Feldscheide (die Dorfgrenze) zu ziehen. Sie war tonnenschwer und unbeweglich. Erst als man sie umdrehte, um sie zurückzubringen, genügten acht Ochsen, um sie leicht und mühelos wieder nach Warsow zu ziehen. Dort gehörte sie hin, und dort blieb sie.