🦅 Die Odyssee der Familie Demmin: Vom Tuchmacher zum Kolonisten
Manchmal ist Ahnenforschung wie das Zusammensetzen eines Puzzles, bei dem das wichtigste Teil fehlt. Jahrelang suchte ich nach der Verbindung meiner ostpreußischen Familie Dammin zu ihren Wurzeln. Ich wusste, dass der Name sich erst im späten 19. Jahrhundert so schrieb und vorher Demmin hieß.
Ich suchte tagtäglich, zwei bis drei Jahre lang. Ich vermutete, dass sie aus Mecklenburg-Vorpommern stammten und 1724 nach Ostpreußen eingewandert waren. Aber wie kamen sie dorthin? Wo war die Brücke? Dann kam die erlösende E-Mail von der BGG (Forschungsgruppe Schweizer Kolonisten in Brandenburg): Der „Missing Link“ war gefunden!
Die Reise meiner Vorfahren ist eine Geschichte von Aufstieg, Abstieg und dem Mut, immer wieder neu anzufangen.
🏛️ Der Ursprung: Neubrandenburg (1612)
Die Wurzeln liegen in Neubrandenburg. Der älteste Eintrag dort stammt von Casten (Carsten) Demmin aus dem Jahr 1612, als sein erstes Kind zur Taufe kam. Leider schweigen die Kirchenbücher über seinen genauen Beruf. Doch ein Detail verrät viel: Die Taufpaten seiner vier Kinder waren Richter und Pastoren. Das lässt vermuten, dass Casten ein Mann von hohem Stand war – vielleicht der Ältermann (Vorsitzender) der Tuchhändler- oder Schusterzunft.

📉 Der soziale Abstieg: Von Bützow ins Elend
Mein direkter Vorfahre, sein Sohn Daniel Demmin, heiratete dreimal (zuletzt in Greifswald Anna Spahn). Dessen Sohn, wieder ein Daniel Demmin (*1639 in Neubrandenburg), zog weiter nach Bützow.
Hier zeichnet sich das Drama ab.
- 1679: Daniel zahlt Bürgergeld als Tuchmacher. Er ist ein angesehener Handwerker.
- 1694: Er taucht wieder in den Steuerlisten auf – doch diesmal wird er nur noch als Tagelöhner bezeichnet.
Es muss eine schwere Zeit gewesen sein. Sieben seiner neun Kinder starben früh. Bei der letzten Geburt starb auch seine Frau, und er selbst folgte ihr nur Monate später ins Grab. Zwei Söhne blieben als Vollwaisen zurück; einer starb im Jahr darauf. Mein direkter Vorfahre stand nun ganz allein da.
👣 Der Weg des Waisen: Brandenburg & Ostpreußen
Der überlebende Sohn, der Daniel Demmin, war nun auf sich gestellt. Ich vermute, er kam bei seinem Paten Joachim Holtz unter (da er seinen ersten Sohn später Joachim nannte).
Mit 22 Jahren wagte er den Neuanfang:
- 1711: Er ging nach Brandenburg (Rauschendorf), um als Tagelöhner zu arbeiten. In Glambeck heiratete er Elisabeth Munz, die Tochter eines Schneiders aus der Kurpfalz.
- 1724: Der Ruf des Preußenkönigs erreichte sie. Als Kolonisten zogen sie weiter nach Ostpreußen. In Eszerkehmen erhielt Daniel ein Stück Land.
Hier, in der Fremde, wurde die Familie sesshaft. Aus den Demmins wurden Dammins.

🚂 Die letzte Reise: Flucht nach Flensburg
Bis Ende des 19. Jahrhunderts blieb die Familie in Eszerkehmen. Dann zogen sie weiter: Nach Eydtkuhnen, Nickelnischken und schließlich, zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914, nach Königsberg (Oberhabersberg und Lauth).
Doch die Geschichte wiederholte sich. Wie einst ihr Vorfahre Daniel, der als Waise seine Heimat verlor, mussten auch meine Urgroßeltern alles aufgeben. 1945 flohen sie aus dem brennenden Königsberg bis nach Flensburg, wo sie 1947 und 1949 ihre letzte Ruhe fanden.
Ein Kreis, der sich über Jahrhunderte und hunderte Kilometer schloss – von Neubrandenburg über Brandenburg und Ostpreußen bis in den hohen Norden.

