📜 Das Rätsel der Felgendreher: Handwerker, Kolonisten & ein Wandel
Es gibt Namen, die begleiten eine Familie wie ein Echo durch die Jahrhunderte. In meinem Stammbaum taucht der Name Felgendreher gleich zweimal auf – einmal in meiner direkten Linie und einmal in einer Nebenlinie der Familie Dammin.
Doch wer waren diese Menschen? Waren es Handwerker, die Wagenräder bauten? Oder kamen sie von einem ganz bestimmten Ort? Die Spurensuche führt uns zurück in die Zeit der großen Wanderungen und der Kolonisten.
🦅 Von Sachsen-Anhalt nach Ostpreußen
Meine 3x Urgroßmutter Christina Felgendreher (*1816 in Ostpreussen, †1884 ebenda) trug diesen Namen mit Stolz. Sie heiratete Friedrich Balbach und lebte ihr Leben im rauen, schönen Osten.
Doch geht man in der Geschichte weiter zurück, verändert sich der Name. Als Christinas Vorfahren im Jahr 1723 als Kolonisten nach Ostpreußen einwanderten, hießen sie noch nicht Felgendreher, sondern Felgenträger. Der Stammvater dieser Linie, Hieronymus Felgenträger, stammt aus Welbsleben im heutigen Sachsen-Anhalt. Er zog mit seiner Frau und zwei Kindern in die Fremde, um sich auf dem Gut Gailboden (Kreis Darkehmen) als Hofmeister eine neue Existenz aufzubauen.
Irgendwann wurde im ostpreußischen Sprachgebrauch oder durch die Feder eines Pfarrers aus dem „Träger“ ein „Dreher“. Ein faszinierendes Beispiel dafür, wie Geschichte Namen formt.
🛠️ Was bedeutet der Name? Drei Theorien
Der Name ist selten und seine Bedeutung ist unter Namensforschern nicht eindeutig geklärt. Es gibt drei spannende Fährten, denen wir folgen können:
1. Das Handwerk (Der Wagner)
Die naheliegendste Vermutung ist der Berufsname. Eine „Felge“ ist der hölzerne Kranz eines Wagenrades.
- Die Theorie: Ein Felgendreher (oder Felgenhauer) war ein spezialisierter Handwerker, der diese gekrümmten Hölzer herstellte.
- Der Zweifel: Kritiker wenden ein, dass Felgen für Räder nicht gedreht (gedrechselt), sondern aus krummem Holz gehauen wurden (daher der Name Felgenhauer). Doch Sprache ist nicht immer technisch präzise – vielleicht bezeichnete „Dreher“ einfach das „Machen“ oder „Wenden“ des Holzes.
2. Der Ort (Der Herkunftsname)
Eine sehr starke Spur führt nach Brandenburg. Im Landkreis Teltow-Fläming liegt der Ort Felgentreu.
- Die Theorie: Menschen, die von dort fortzogen, wurden an ihrem neuen Wohnort „die Felgentreuer“ (oder Varianten wie Felgentreff, Felgetrewe) genannt. Alte Schreibweisen wie Velgendrewe (1285) stützen diese These.
3. Die Ackerarbeit (Das Tun)
Eine dritte, eher sprachwissenschaftliche Deutung bezieht sich auf das alte Wort „velgen“.
- Die Theorie: Es bedeutet das Umackern oder Wenden des Ackers (eine Brache umbrechen). Ein Felgendreher könnte also ursprünglich jemand gewesen sein, der den Boden bearbeitet – was perfekt zum Stand der Kolonisten passen würde.
🕯️ Ein Name im Wandel der Zeit
Egal ob Handwerker, Auswanderer aus Felgentreu oder Ackerbürger – die Geschichte von Hieronymus und Christina zeigt, dass Namen nicht in Stein gemeißelt sind. Sie reisen mit uns, verändern sich und erzählen uns noch heute von den Wegen, die unsere Vorfahren gegangen sind.
