⚖️ Der Galgen von Beerfelden: Ein steinernes Mahnmal im Odenwald
Es gibt Orte, an denen die Zeit stillzustehen scheint und die Luft schwer ist von der Geschichte. Beerfelden im südhessischen Odenwaldkreis ist so ein Ort. Vor 18 Jahren (2006) führte mich der Zufall dorthin, und was ich sah, ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen.
Dort, auf einer Anhöhe, steht der Beerfelder Galgen. Er ist nicht Ruine, nicht Fragment, sondern er steht noch immer fast genauso da, wie er vor über 400 Jahren (1597) erbaut wurde. Sogar die alten Eisenketten hängen noch an den morschen Holzbalken und klirren leise im Wind. Es ist ein sehr bedrückendes Gefühl, wenn man unter dieser Konstruktion steht und in den Himmel blickt.

🧱 Das steinerne Dreieck des Todes
Für uns heutige Menschen ist der Anblick kaum zu ertragen. Der Galgen ist als Dreieck konstruiert. Drei sehr hohe Säulen aus rotem, buntem Sandstein ragen in die Höhe und sind oben mit Balken verbunden. Diese Bauweise war nicht nur stabil, sie war effizient auf grausamste Weise: An diesem Galgen konnten bis zu neun Menschen gleichzeitig gehängt werden.
Doch bevor das Urteil vollstreckt wurde, gab es einen letzten rituellen Akt. Etwas vor dem Galgen sind drei große, flache Steine erdgleich in den Boden eingelassen. Sie bestehen ebenfalls aus rotem Sandstein und sind kreuzförmig angeordnet.
- Der letzte Frieden: Auf diesen Steinen musste der Verurteilte niederknien.
- Die Absolution: Ein Geistlicher nahm ihm dort die Beichte ab und erteilte die Absolution – die Vergebung der Sünden –, bevor der Henker sein Werk tat.

🌳 Die Linden: Zeugen des Gerichts
Der Ort ist jedoch nicht nur ein Ort des Todes, sondern auch ein Ort uralter Rechtstradition. Um den Galgenplatz herum wachsen mächtige Linden. Die Linde war schon bei den Altgermanen der heilige Gerichtsbaum (Thingstätte), unter dem Recht gesprochen wurde. Man glaubte, dass unter dem Blätterdach der Linde die Wahrheit ans Licht kommt.
- Die Zahl Sieben: Auf diesem Areal sollen immer noch sieben Linden stehen. Die Zahl 7 hatte im Volksglauben einen hohen magischen Stellenwert.
- Der hohle Stamm: Schon in einer Chronik von 1891 wird berichtet, dass der Stamm der alten Gerichtslinde hohl sei und der obere Teil absterbe. Als ich das Foto 2006 aufnahm, stand rechts noch immer eine mächtige Linde – vielleicht ist es noch immer jener Baum, der schon so viele letzte Atemzüge gesehen hat.
🍞 Ein Huhn, ein Brot und der Tod
Wann endete das Grauen an diesem Ort? Die letzte Hinrichtung fand im Jahr 1804 statt. Das Schicksal der Delinquentin lässt uns heute fassungslos zurück: Es war eine Frau. Ihr Verbrechen? Sie soll ein Huhn und ein Brot gestohlen haben. Aus purer Not beging sie einen Diebstahl und bezahlte dafür mit ihrem Leben.
Der Galgen von Beerfelden ist heute ein stummes Mahnmal. Er erinnert uns daran, wie hart und unbarmherzig das Leben und das Recht unserer Vorfahren sein konnten.


