✝️ Der Raubmord an Johann Dahl (1850): Ein eisernes Kreuz klagt an
Wenn man über alte Friedhöfe wandert, erzählen die Steine oft Geschichten von friedlichem Einschlafen nach einem langen Leben. Doch auf dem historischen Friedhof in Sülstorf steht ein Grabmal, das eine ganz andere Sprache spricht.
Als ich 2020 dort den historischen Friedhof dokumentierte, fiel mir sofort ein großes Kreuz aus schwerem Metall auf. Es war verwittert, vom Rost gezeichnet, doch es strahlte eine Schwere aus, die mich innehalten ließ. Und tatsächlich: Wer die Schrift entziffert, blickt direkt in einen Kriminalfall aus dem Jahr 1850.
🔫 Der letzte Weg von Schwerin
Das Opfer war der hiesige Hauswirt Johann Friedrich Dahl. Er war am 8. August 1811 geboren worden und stand mit 38 Jahren mitten im Leben. Am 9. Januar 1850, einem kalten Wintertag, war er auf dem Rückweg von der Stadt Schwerin nach Hause ins Dorf Sülstorf.
Doch er sollte nie ankommen. Bei Göhren lauerte ihm ein Straßenräuber auf. Die Begegnung endete tödlich: Johann Dahl wurde erschossen. Der Eintrag im Sterberegister hält die Tat nüchtern fest:
„Erschossen von einem Straßenräuber
auf der Rückkehr von Schwerin.“

⚖️ Der Mörder: Ein beurlaubter Musketier
Meine Recherche im Landesarchiv Schwerin brachte den Täter ans Licht. Es war kein Unbekannter, sondern ein Soldat: Der beurlaubte Musketier Johann Joachim Christoph Schwanck.
- Seine Herkunft: Er wurde am 14. Dezember 1826 in Zieslübbe geboren (unehelich, Vater „vermeintlich“ Joachim Schwanck aus Raduhn, Mutter Erna Carstens).
- Sein Ende: Die Justiz kannte keine Gnade. Für den Raubmord wurde Schwanck zum Tode verurteilt. Am 16. Oktober 1852 wurde er in Bützow mit dem Beil enthauptet.

📜 Das eiserne Gedächtnis
Das Grabkreuz von Johann Dahl ist heute ein wichtiges Zeitdokument. Da der Rost bereits an ihm nagt, ist es mir ein Anliegen, die Inschrift hier für die Nachwelt zu bewahren, bevor sie unleserlich wird.
Die Vorderseite berichtet von der Tat:
Hier ruhet die entseelte Hülle des hiesigen Hauswirths Johann Friedrich Dahl welcher am 8. August 1811 Sülstorf geboren und den 9. Januar 1850 auf seiner Rückkehr von Schwerin nach Sülstorf nahe Göhren durch einen Straßenräuber erschossen wurde.
Die Rückseite fällt das Urteil: Noch eindringlicher ist die Rückseite. Hier wählten die Hinterbliebenen keinen sanften Trostspruch, sondern eine biblische Anklage gegen den Mörder:
Unglück verfolgt die Sünder,
aber den Gerechten
wird Gutes vergolten.
(Sprüche Salomonis 13,21)
🌳 Verwurzelte Familien
Ein Blick in die Ahnenforschung zeigt, wie tief Johann Dahl in der Region verwurzelt war. Seine Eltern waren Johann Daniel Dahl (*1763 in Hoort) und Friederike Christine Ihde (*1778). Er war verheiratet mit Catharina Elisabeth Dorothea Bollow (verwitwete Ihde). Interessant ist hier ein Detail aus den Akten: Da die beiden wohl recht nah verwandt waren, mussten sie einen speziellen Antrag auf Erlaubnis der Ehe stellen.
Die Namen Dahl, Ihde und Bollow sind typisch für diese Ecke Mecklenburgs und finden sich auf vielen Friedhöfen der Umgebung. Doch keiner ihrer Steine erzählt eine so dramatische Geschichte wie das eiserne Kreuz von Sülstorf.

