Der Sühnestein von Dammereez: Sage vom verfluchten Schäfer

🗿 Der Schäferstein von Dammereez: Sühne, Fluch & Wiedergänger

Wenn man tief in das Feld zwischen Dammereez und Dersenow hineinläuft, begegnet man einem stummen Zeugen einer längst vergangenen Tragödie. Dort, einsam und fernab vom Wald, ragt ein roter Granitblock aus der Erde – etwa 160 cm hoch, schroff und geheimnisvoll.

Es ist ein sogenannter Sühnestein. Doch wer hier starb und warum, darüber schweigen die alten Dokumente. Was bleibt, sind die Steine und die Sagen, die sich die Menschen über Jahrhunderte erzählten.

🩸 Die Angst vor dem Wiedergänger

Ein Sühnestein (oder Mordkreuz) wurde im Mittelalter oft am Tatort eines Verbrechens aufgestellt. Er diente nicht nur der Erinnerung, sondern hatte eine tiefere, magische Funktion. Die Sühne war der Versuch, eine Schuld auszugleichen und Frieden zu schaffen – für den Täter, aber auch für das Opfer.

Ein alter Volksglaube besagt: Wenn an einem solchen Stein im freien Feld viele kleine Feldsteine liegen, hat das einen unheimlichen Grund. Man glaubte, dass Menschen, die eines gewaltsamen Todes starben, keine Ruhe finden und als Wiedergänger zurückkehren könnten. Das Aufschichten von Steinen (das „Steinwerfen“) war ein Bannzauber, um den Toten im Grab zu halten und sich selbst zu schützen.

Die Sage vom verfluchten Schäfer

Im Volksmund wird der Stein von Dammereez oft „Schäferstein“ genannt. Man erzählt sich, dass er aus dem Spätmittelalter stammt. Die Form des Granits erinnert mit viel Fantasie an eine menschliche Gestalt – man meint, einen Kopf, eine Nase und verstümmelte Arme zu erkennen.

Warum sieht er so aus? Die Antwort findet sich in einer alten Legende, die ich in „Mecklenburgs Volkssagen“ (Band 3 von 1860) aufgespürt habe. Sie erzählt von einem Frevel, der so schwer wog, dass er einen Menschen zu Stein erstarren ließ.

Das tägliche Brot & der grüne Teufel

Es war einmal ein Schäferknecht auf dem Rittergut Dammereez. Sein Herr versorgte ihn gut, doch die Kost war eintönig: Jeden Tag gab es Brot und Käse mit aufs Feld. Dem Knecht wurde das Essen bald zuwider. In seinem Hochmut begann er, die Gaben zu verhöhnen. Das Brot nannte er spöttisch „lieber Herrgott“, den Käse aber beschimpfte er als „grünen Teufel“.

Eines Tages stand er auf einer Anhöhe und sah seinen Schafen beim friedlichen Grasen zu. Sie waren zufrieden mit Gras und Heu, doch in ihm kochte die Wut über sein einfaches Mahl hoch.

Er riss den Käse aus der Tasche, warf ihn zu Boden und trat darauf herum. Dann ließ er ihn wie eine Kegelkugel den Hügel hinabrollen und schleuderte das Brot hinterher. Dabei rief er lästerlich:

„Grüner Teufel, renn!

Lieber Herrgott, hinterher!“

Doch der Himmel ließ diesen Frevel nicht ungestraft. Kaum waren die Worte verklungen, überlief den Schäfer ein eisiger Schauer. Sein Blut erstarrte in den Adern, seine Glieder wurden steif und kalt. Dort, wo er stand, verwandelte er sich auf der Stelle in Stein – als ewige Mahnung für alle, die das tägliche Brot nicht zu schätzen wissen.

Ob es nun ein Sühnestein für einen echten Mord oder ein verfluchter Schäfer ist – der rote Granit von Dammereez behält sein Geheimnis für sich.