Glaubensbekenntnis der Waldenser (1120): Ketzer oder Heilige?

📜 Das Glaubensbekenntnis der Waldenser (Anno 1120): Worte, für die man brannte

Wenn wir heute in unseren Stammbäumen auf Vorfahren stoßen, die den Waldensern angehörten, blicken wir oft auf eine Geschichte von Flucht und Leid zurück. Die Katholische Kirche stigmatisierte sie als gefährliche Ketzer-Sekte. Sie wurden gejagt, enteignet, des Landes verwiesen oder endeten auf dem Scheiterhaufen.

Doch was glaubten diese Menschen wirklich? Waren sie Diener des Bösen, wie die Inquisitoren behaupteten? Ich möchte euch hier das Glaubensbekenntnis der Waldenser aus dem Jahr 1120 vorstellen. Wenn man diese Zeilen liest, findet man keinen Hass, sondern einen tiefen, schlichten Glauben, der sich allein auf die Bibel stützt – und der genau deshalb so gefährlich für die damalige Macht der Kirche war.

🔥 Das Dokument des Anstoßes

Hier ist der Wortlaut ihres Bekenntnisses, für das viele von ihnen in den Tod gingen:

„Wir glauben und halten fest an Allem, was enthalten ist in den zwölf Artikeln des apostolischen Glaubensbekenntnisses.

Wir glauben an einen Gott, Vater, Sohn und Heiligen Geist. Die Bücher der heiligen Schrift lehren uns: Es ist ein Gott, welcher allmächtig, allweise, allliebend, nach seiner Güte die ganze Welt erschaffen hat. Er hat Adam nach seinem Bild gemacht; aber durch die List des Teufels und den Ungehorsam Adams ist die Sünde in die Welt gekommen, und wir sind nun Sünder in Adam und durch Adam.

Christus ist verheißen worden den Vätern, welche das Gesetz empfangen haben, damit sie durch das Gesetz zur Erkenntnis ihrer Sünden und ihres Unvermögens gelangen und mit Sehnsucht nach der Ankunft Christi erfüllt werden möchten, welcher für ihre Sünden genugtun und selber das Gesetz erfüllen sollte. Christus ist geboren worden zu der von Gott, seinem Vater, bestimmten Zeit, als die Ungerechtigkeit immer mehr überhandgenommen hatte.

Nicht allein der guten Werke wegen ist er gekommen – denn alle waren Sünder – sondern damit er, der Wahrhaftige, uns Gnade und Erbarmung bringe. Christus ist unser Leben und Friede, unsere Gerechtigkeit, unser Hirte, unser Fürsprecher, Opfer und Priester, der gestorben ist zum Heil aller Gläubigen, und auferstanden zu unserer Rechtfertigung.

Wir halten daran fest, dass es keinen anderen Mittler und Fürsprecher bei Gott dem Vater gibt, als Jesus Christus; dass aber die Jungfrau Maria heilig, demütig und voller Gnade ist. Ebenso glauben wir von allen anderen Heiligen, dass sie im Himmel die Auferstehung ihres Leibes zum Gerichte hoffen.“

Der Bruch mit der Kirche: Fegefeuer & Sakramente

Der wirklich gefährliche Teil folgt in den nächsten Absätzen. Hier lehnen die Waldenser alles ab, womit die Kirche damals Macht und Geld verdiente (Ablasshandel, Messen für Tote):

„Ebenso glauben wir, dass es für die Verstorbenen nur zwei Orte gibt: einen, das Paradies genannt, für die Seligen; den anderen, welchen man die Unterwelt nennt, für die Verdammten.

Wir leugnen ganz und gar das Fegefeuer als einen Traum des Widerchrists und eine leere Erdichtung.

Wir haben immer verworfen alle Menschensatzungen, von welchen man vor Gott nicht reden sollte; nämlich die Feste und Vigilien der Heiligen, das sogenannte Weihwasser, das Enthalten von Fleisch und anderen Speisen zu gewissen Tagen, und besonders die Messen. Wir verachten, als widerchristlich, alle menschlichen Überlieferungen, welche nur irreleiten und die Freiheit des Geistes beeinträchtigen.

Wir glauben, dass die Sakramente Zeichen oder sichtbare Formen heiliger Dinge sind, und halten für gut, dass sich die Gläubigen, wenn es sein kann, öfters dieser Zeichen oder sichtbaren Formen bedienen. Jedoch glauben und behaupten wir auch, dass die Gläubigen selig werden können, ohne diese Zeichen empfangen zu haben, wenn es ihnen dazu an Zeit und Gelegenheit gefehlt hat.

Wir haben niemals andere Sakramente anerkannt, als die Taufe und das Abendmahl. Der weltlichen Obrigkeit sind wir Ehrfurcht, Unterwerfung, Gehorsam, Dienstwilligkeit und Zahlung der Abgaben schuldig.“

🕯️ Ein Erbe des Mutes

Wer diese Zeilen liest, spürt den Geist der Reformation, lange bevor es das Wort gab. Sie lehnten das „Geschäft mit der Angst“ (Fegefeuer) ab und forderten die Freiheit des Geistes. Dass sie trotz Verfolgung der weltlichen Obrigkeit Gehorsam schworen (letzter Satz), zeigt ihre Friedfertigkeit – die ihnen oft nichts nützte. Ein beeindruckendes Zeugnis standhafter Vorfahren.