Manchmal ist die Ahnenforschung wie der Blick in einen Spiegel, der nicht nur dein Gesicht zeigt, sondern die tausend Gesichter, die dich geformt haben. Wir wälzen Kirchenbücher, entziffern alte Schriften und sammeln Daten. Doch es gibt ein Archiv, das älter ist als jedes Papier und das niemals lügt: Unsere DNA.
Ich habe mich auf die Reise in meine eigene DNA begeben. Was ich fand, war keine trockene Statistik, sondern ein raunendes Gespräch zwischen Nord und Ost, zwischen stolzen Seefahrern und den stillen Töchtern der Erde.
Hier erzähle ich euch, wie sich ein 16-prozentiges „Schweden-Rätsel“ löste und warum ein verarmter Schulmeister in Ostpreußen eigentlich ein Sohn der schottischen Highlands war.
🧬 Das Rätsel der 16 Prozent: Ein nordisches Echo
Als ich die Ergebnisse des DNA-Tests meiner Mutter öffnete, stutzte ich. Dort stand schwarz auf weiß: 16 % Schweden.
Das war verwirrend. In meiner sorgfältig gepflegten Ahnentafel gab es keine Schweden. Meine Ahnen mütterlicherseits stammten aus Ostpreußen, Mecklenburg und anderen Ecken, aber niemand aus Schweden. Hatte ich einen „Kuckuck“ im Nest? Einen heimlichen Urgroßvater aus Stockholm?
Die Antwort liegt nicht in einer Affäre, sondern in der Geschichte der Erde und der Völkerwanderung:
Grenzenlose Genetik: Die DNA kennt keine Landesgrenzen. Die Menschen in Mecklenburg und Vorpommern (woher meine Vorfahren Demmin stammten) sind genetisch kaum von Südschweden zu unterscheiden. Wir sind Kinder desselben Ostsee-Beckens.
Die Spur der Siedler: Meine Ahnen, die Demmins, wanderten einst als Siedler in den slawischen Raum. Sie brachten das germanische, nordische Erbe mit.
Das konservierte Erbe: Da sie über Jahrhunderte hinweg oft unter sich heirateten, blieb dieses „Wikingern-Erbe“ in der DNA erhalten.
Die 16 % sind kein unbekannter Fremder. Sie sind das kollektive Gedächtnis meiner Ahnen aus dem Norden, die ihre Signatur bis heute bewahrt haben.

📜 Der arme Schulmeister & die Highlands: Die Linie Moritz
Eines der berührendsten Kapitel meiner Forschung betrifft meinen 5 x Urgroßvater Mattheus Moritz (*1722), einen Schulmeister im Kreis Goldap, der in Armut starb.
Der Name „Moritz“ klang deutsch. Doch etwas stimmte nicht. In alten Kirchenbüchern tauchte die Schreibweise „Moryc“ auf, und meine DNA zeigte plötzlich Spuren von den Britischen Inseln und den Niederlanden. Wie passt das zusammen? Die Geschichte lüftete den Schleier:
Die schottischen Krämer: Im 16. und 17. Jahrhundert wanderten tausende Schotten (Religionsflüchtlinge und Händler) in den Ostseeraum ein.
Vom Morris zum Moritz: Aus dem schottischen Namen Morris oder Morys machten die preußischen Pfarrer nach Gehör schnell ein „Moryc“ oder „Moritz“.
Das Erbe der Bildung: Dass Mattheus als Schulmeister endete – arm, aber geachtet –, passt ins Bild. Die schottischen Einwanderer legten höchsten Wert auf Bildung und das Lesen der Bibel. Als das Händlerglück die Familie verließ, blieb ihnen nur noch der Geist als Kapital.
Meine DNA-Matches in Schottland und Irland sind der stille Beweis: Mattheus war ein Sohn der Highlands, der in der preußischen Erde seine letzte Ruhe fand.

🦅 Die Hüterin der Erde: Ilsabe & das Zeichen des Spechts
Doch all diese Wanderer und Seefahrer brauchten einen Hafen, in dem sie ankommen konnten. Diesen Hafen fand ich in meiner direkten mütterlichen Linie – dem einzigen Faden, der niemals abreißt, da er nur von Müttern an Töchter weitergegeben wird.
Meine mitochondriale DNA (die weibliche Linie) trägt das Zeichen H6. Das ist uraltes, nomadisches Erbe. Es erzählt von Frauen, die einst aus den weiten Steppen kamen und im Baltikum sesshaft wurden. Sie waren keine Ankömmlinge der Neuzeit, sie waren die Wurzel.
Am Ende dieses roten Fadens steht eine Frau aus Fleisch und Blut: Meine 7 x Urgroßmutter Ilsabe Gennat, geboren um 1695. Ihr Nachname ist ein Schlüssel zum „Alten Glauben“. Er ist nicht deutsch, er ist pruzzisch – die Sprache der Ureinwohner. Er leitet sich ab von dem baltischen Wort für den Specht.
In der Mythologie ist der Specht ein Wächter des Waldes und des Feuers. Ilsabe war also eine „Tochter des Landes“. Während meine männlichen Vorfahren – die Demmins und Moritz‘ – wie der Wind über das Meer kamen, stand Ilsabe wie eine Eiche fest in der Erde. In meiner DNA trifft der Sturm des Nordens auf die stille Kraft des Waldes.
⚔️ MyTrueAncestry: Das Flüstern der alten Stämme
Wenn wir noch tiefer graben – in die Zeit, bevor es Nachnamen gab –, offenbart die „alte DNA“ (aDNA) die wahren Wurzeln unserer Seele. Die Analyse meiner mütterlichen Linie zeigte eine faszinierende Mischung:
Viking & Ostrogoth (Wikinger & Ostgoten): Das ist die Signatur Ostpreußens. Die nordischen Einwanderer trafen auf das uralte Erbe der Goten, die einst an der Weichsel siedelten.
Scythian (Skythen): Ein starkes Signal der Verbundenheit mit dem Osten. Es steht für die tiefen, baltischen Wurzeln, die meine Vorfahren durch die Heirat mit den Frauen des Landes aufnahmen.
🌿 Fazit: Wir sind die Summe ihrer Reisen
Was lehrt mich das? Dass wir mehr sind als Namen und Daten. Ich bin das Kind eines norddeutschen Wikingers und einer ostpreußischen Mutter, in deren Adern das Blut von schottischen Einwanderern und baltischen Ureinwohnern fließt.
Diese Erkenntnis ist pures Ahnenwissen. Sie macht die Vorfahren lebendig. Ich sehe den stolzen Studenten Henricus Demmin in Rostock, der 1574 in die Zukunft blickte. Ich fühle die Kälte im Klassenzimmer des armen Schulmeisters Moritz, der fern der Heimat seiner Väter lehrte.
Sie alle leben weiter. In jedem Herzschlag. In mir. Niemand ist wirklich vergessen, solange sein Name noch gesprochen wird!

