Das Gesindebuch: Was war das? Gustav Langes Arbeitsbuch

📖 Das Gesindebuch: Arbeitsnachweis & Fessel zugleich

Wusstet ihr, dass unsere Vorfahren, die als Dienstboten arbeiteten, ihr Leben in einem kleinen Heft dokumentieren mussten? Dieses unscheinbare Büchlein war ihr Arbeitsnachweis und Kontrollmittel zugleich – ein Fenster in die strenge Welt des 19. Jahrhunderts.

Im Archiv von Leezen (Kreis Segeberg) bin ich auf einen ganz besonderen Fund gestoßen: Das Gesindebuch meines Urgroßvaters Gustav Lange (*1878–†1953). Wenn ich die vergilbten Seiten betrachte, sehe ich nicht nur Stempel und Unterschriften, sondern das Leben eines jungen Mannes, der viel zu früh erwachsen werden musste.

🌾 Gustavs Weg: Ein Knecht mit 15 Jahren

Gustav war von Beruf Knecht. Er war gerade einmal 15 Jahre alt, als dieses Büchlein für ihn ausgestellt wurde. In einem Alter, in dem Jugendliche heute zur Schule gehen, schuftete er bereits auf verschiedenen Bauernhöfen im Kreis Segeberg.

Das Gesindebuch war sein ständiger Begleiter. In ihm wurde penibel eingetragen, wo er arbeitete, wann er anfing und wann er ging. Es ist ein lückenloses Protokoll harter Arbeit.


👮‍♂️ Was war ein Gesindebuch?

Für Knechte und Mägde war dieses Dokument im 19. Jahrhundert Pflicht. Es wurde von der örtlichen Polizeibehörde ausgestellt und war weit mehr als ein heutiger Lebenslauf. Es war ein Instrument der Überwachung.

Wer eine neue Stelle antrat, musste das Buch sofort dem Dienstherrn vorlegen. Der Bauer behielt es oft während der gesamten Dienstzeit ein – als Pfand, damit der Knecht nicht einfach davonlaufen konnte.

Was stand drin?

  • Persönliche Daten: Name, Heimatort, Alter.
  • Das Aussehen: Äußere Kennzeichen (Größe, Statur), um die Person identifizieren zu können.
  • Der Dienst: Art der Tätigkeit, Dauer der Beschäftigung.
  • Das Urteil: Der Grund für das Ende des Dienstes und oft auch ein kurzes Zeugnis über Fleiß und Betragen.

⚖️ Der schmale Grat zum „Vagabunden“

Dieses Buch zu besitzen, war überlebenswichtig. Wer häufig den Dienstherrn wechselte oder auf Wanderschaft war, musste seine „Ehrbarkeit“ lückenlos beweisen können. Ohne einen gültigen Eintrag oder Stempel galt man schnell als „Vagabund“ oder arbeitsscheu und konnte von der Polizei aufgegriffen und bestraft werden.

Das Gesindebuch war ein Relikt alter, feudaler Strukturen. Es kettete den Arbeiter an seinen Stand. Erst mit der Industrialisierung im frühen 20. Jahrhundert und der Einführung moderner Arbeitsverträge verschwand es langsam und machte Platz für neutralere Arbeitsbücher.

Für mich ist Gustavs Buch heute ein wertvolles Erbstück. Es erinnert mich daran, unter welchem Druck unsere Vorfahren standen – und wie viel Kraft es gekostet haben muss, sich damals ein Leben aufzubauen.